Friedrich Engels sen.
1796 – 1860

Postscriptum Friedrich Engels jun.

Bremen

Elise Engels (geb. van Haar)
1797 – 1873



Barmen

1.1.

An Frau Elise Engels
p Adr.Adresse
dHerren
Friedr.Friedrich Engels & Co.
in
Barmen.

Liebe Eliſse

Gestern Abend ſsind wir hier Gott ſeÿsey Dank geſsund und wohl an
gekommen, und ich eile Dich davon mit der ersten Post zu be
nachrichtigen. Zu unſsrer Freude fanden wir hier einen
Brief von Dir, woraus wir ſsehen daß es im Allgemeinen dort
gut geht, was uns auch M.Mathilde Treviranus gestern ſschon ſsagte. JIch
bedaure nun nicht aus Manchester noch an Dich geſschrieben zu haben,
da ich bemerke daß Du in einiger Unruhe bist; allein Du wußtest
uns dort gut aufgehoben, und ſso hielten wir es bei meiner
vielen Arbeit für beßerbesser, Dich lieber über den Tag unſsrer
Seefahrt in Ungewißheit zu laßenlassen.

 Die Reiſse von Ha London nach Cuxhaven war ſsehr
gut und ziemlich raſsch, wir machten nämlich die UeberfahrtÜberfahrt
in 43 Stunden, statt der 8–10 Tage, was im Winter und
bei ganz stürmiſschem Wetter wohl der Fall ſsein kann.
Wir haben ein bischenbißchen Seekrankheit abgerechnet eine
ganz angenehme Reise gehabt, und sind ganz vergnügt,
trotz dem entsetzlichen Wetter.
(Meine armen Ziegelsteine
und Hafer!!) Die Ruhe am festen Lande thut uns ſsehr wohl,
ſso daß wir heute Morgen bis 10 Uhr ſschliefen und der gute
Pastor Treviranus uns noch im Bette traf. Deshalb kann unſser
mein Brief auch nur kurz ſeÿnseyn da wir die Zeit nun nutzen
müßenmüssen.

 Dem HrHerrn Strücker danke für ſseine Briefe die mich ſsehr intereſsſsirtintereſsſsirten,
es ist wahr, wenn es regnen ſsoll muß der Loh in den Springen ſseine
Wieſse mähen, und wenn die Seide aufſschlagen ſsoll, muß ich nach
England reiſsen! Wer hätte das denken ſsollen. JIn London
habe ich ziemlich Grège gekauft, etwa 30 Ballen zu ziemlich billigen
Ballen, Preiſsen, ſsage Strücker nichts davon der Zahl damit ſsolche
nicht bekannt wird. JIn Manchester bin ich auch mit dem
Geſschäft recht zufrieden, es geht alles ſsehr regelmäßig, doch
darüber bald mündlich. Für Eduard habe ich die Stelle aus
gemittelt, er muß ſso gleich abreiſsen; ich ſschreibe heute nach
Hamm daß er gegen 18. AugAugust nach Barmen kommt, um die
EMutter HannchHannchen u.und Dich noch zu ſsehen u.und ſseine JInstruktionen von mir
zu empfangen.
Hier werde ich nicht lange bleiben, und am
Montag oder Dienstag abreiſsen.
Friedrich wird noch etwas ſschreiben

 Nun lAdieu liebe Eliſse, ich freue mich Dich bald wieder zu ſsehen
Grüße die Mutter, Hannchen u.und küßeküsse die Kinder 
Dein Friedrich.

3.

  Liebe Mutter

Wie Du aus des Vaters Brief wirst erſsehen haben, war unſsre Reiſse ziem-
lich glücklich, und ich will Dir nur noch einige Worte über das Einzelne hinzu-
fügen. JIn London blieben wir drei Tage, und reisten den vierten, es war
ein Sonntag, morgen werden es vierzehn Tage, ab; am Abend waren
wir gegen 12 Uhr in der Manchester. Dort blieben wir bis zum nächsten
Sonntag, wo wir wieder nach London reisten. Montag und Dienstag blieben
wir dort, gingen zu den Maklern, beſsahen noch einiges Merkwürdige
und gingen Dienstag Abend etwas vor zwölf auf das Schiff. Den andern
Morgen waren wir ſschon in der See; der Vater wurde leider bald ſsee-
krank und legte ſsich ſschon vor Mittag zu Bette; ich blieb ganz wohl,
aber wenn ich was aß, mußte ich es gleich wieder von mir geben.
Endlich gegen Abends ſsieben Uhr fühlte auch ich anhaltende UebelkeitÜbelkeit
und legte mich gleichfalls nieder; den andern Tag stand ich gegen 3
oder 4 Uhr Nachmittags wieder auf, aß etwas, das mir gut bekam, und
als einige Stunden nachher stand der Vater auch auf. Als es dunkel wur-
de, ſsahen wir die Leuchtthürme an der deutſschen Küste, und wenn wir noch
eine Stunde gefahren hätten, hätten wir ſschon auns Land gehen können,
aber der Lootſse wollte nicht weiter fahren, weil er die Untiefen fürchtete
und ſso blieben wir die Nacht über liegen; am andern Morgen aber
waren wir um 5 Uhr in Cuxhaven, fuhren gleich durch die Lu einen
Theil der lüneburger Heide nach Bremerhafen, und kamen Abends
ſsieben Uhr bei in Bremen an. Nach einigem Umkleiden gingen
wir noch eben zu Treviranus, fanden ihn aber nicht zu Hauſse,
er kam aber heute Morgen und fand uns, wie Du geleſsen haben
wirst, im Bette. Jetzt ſsind wir im Begriffe, hinzugehen, wir eſsſsen heute
Mittag da, darum ſschließe ich. Grüße Alle recht herzlich von mir,
auch die Großmutter und die Tante, und lebe recht wohl
 

Dein treuer Sohn
Friedrich
Dein treuer Sohn
Friedrich


„Die Rückreise erfolgte mit dem englischen Dampfschiff ‚Countess of Lonsdale‘.“ (Michael Knieriem (Hg.): Die Herkunft des Friedrich Engels. Trier 1991, S. 580.)


Mathilde Catharine Treviranus, geb. Castendyck (1794–1878), verheiratet mit Georg Gottfried Treviranus (1788–1868).


Friedrich Strücker. Näheres nicht ermittelt.


Nicht ermittelter Nachbar der Familie Engels. Die Flur ‚In den Springen‘ lag südlich des ‚Barmer Bruchs‘ und ist z.B. verzeichnet in der Topographische Aufnahme der Rheinlande (1801–1828) von Jean Joseph Tranchot (1752–1815), frz. Geograph. Die heutigen Straßennamen „Im Springen“ und „Springer Straße“ nehmen Bezug auf die historische Flurbezeichnung.


Frz. Bezeichnung für ungezwirnte Rohseidenfäden, die nur durch den natürlichen Seidenleim zusammengehalten werden.


Franz Eduard Johann Daniel Friedrich von Griesheim (1811–?), kaufmännischer Lehrling in der Firma Friedr. Engels & Comp. in Barmen. Er war der älteste Sohn von Friederike von Griesheim, geb. van Haar (1789–1880), Tante von Friedrich Engels jun.


Die Schwiegermutter Franziska van Haar, geb. Snethlage
(1758–1846).


Susanne Christine Johanne, genannt „Hannchen“, Lipka, geb. van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar, und Tante von Friedrich Engels jun. 1824 Heirat mit
Heinrich Adolph Lipka (1792–1829).


Auf dem Weg von Cuxhaven und Bremerhaven liegen die Marschgebiete Land Hadeln und Land Wursten, die südlich bzw. östlich von Geestrücken eingefasst werden. Deren sandiger Untergrund hat die Entstehung der ‚Wurster Heide‘ begünstigt. Die Ähnlichkeit dieser Landschaft mit der ‚Lüneburger Heide‘ mag zu Friedrich Engels‘ Irrtum geführt haben (vgl. Michael Knieriem (Hg.): Die Herkunft des Friedrich Engels. Trier 1991, S. 580, Anm. 5).

1.1.

An Frau Elise Engels
p Adr.Adresse
dHerren
Friedr.Friedrich Engels & Co.
in
Barmen.

Liebe Eliſse

Gestern Abend ſsind wir hier Gott ſeÿsey Dank geſsund und wohl an
gekommen, und ich eile Dich davon mit der ersten Post zu be
nachrichtigen. Zu unſsrer Freude fanden wir hier einen
Brief von Dir, woraus wir ſsehen daß es im Allgemeinen dort
gut geht, was uns auch M.Mathilde Treviranus gestern ſschon ſsagte. JIch
bedaure nun nicht aus Manchester noch an Dich geſschrieben zu haben,
da ich bemerke daß Du in einiger Unruhe bist; allein Du wußtest
uns dort gut aufgehoben, und ſso hielten wir es bei meiner
vielen Arbeit für beßerbesser, Dich lieber über den Tag unſsrer
Seefahrt in Ungewißheit zu laßenlassen.

 Die Reiſse von Ha London nach Cuxhaven war ſsehr
gut und ziemlich raſsch, wir machten nämlich die UeberfahrtÜberfahrt
in 43 Stunden, statt der 8–10 Tage, was im Winter und
bei ganz stürmiſschem Wetter wohl der Fall ſsein kann.
Wir haben ein bischenbißchen Seekrankheit abgerechnet eine
ganz angenehme Reise gehabt, und sind ganz vergnügt,
trotz dem entsetzlichen Wetter.
(Meine armen Ziegelsteine
und Hafer!!) Die Ruhe am festen Lande thut uns ſsehr wohl,
ſso daß wir heute Morgen bis 10 Uhr ſschliefen und der gute
Pastor Treviranus uns noch im Bette traf. Deshalb kann unſser
mein Brief auch nur kurz ſeÿnseyn da wir die Zeit nun nutzen
müßenmüssen.

 Dem HrHerrn Strücker danke für ſseine Briefe die mich ſsehr intereſsſsirtintereſsſsirten,
es ist wahr, wenn es regnen ſsoll muß der Loh in den Springen ſseine
Wieſse mähen, und wenn die Seide aufſschlagen ſsoll, muß ich nach
England reiſsen! Wer hätte das denken ſsollen. JIn London
habe ich ziemlich Grège gekauft, etwa 30 Ballen zu ziemlich billigen
Ballen, Preiſsen, ſsage Strücker nichts davon der Zahl damit ſsolche
nicht bekannt wird. JIn Manchester bin ich auch mit dem
Geſschäft recht zufrieden, es geht alles ſsehr regelmäßig, doch
darüber bald mündlich. Für Eduard habe ich die Stelle aus
gemittelt, er muß ſso gleich abreiſsen; ich ſschreibe heute nach
Hamm daß er gegen 18. AugAugust nach Barmen kommt, um die
EMutter HannchHannchen u.und Dich noch zu ſsehen u.und ſseine JInstruktionen von mir
zu empfangen.
Hier werde ich nicht lange bleiben, und am
Montag oder Dienstag abreiſsen.
Friedrich wird noch etwas ſschreiben

 Nun lAdieu liebe Eliſse, ich freue mich Dich bald wieder zu ſsehen
Grüße die Mutter, Hannchen u.und küßeküsse die Kinder 
Dein Friedrich.

3.

  Liebe Mutter

Wie Du aus des Vaters Brief wirst erſsehen haben, war unſsre Reiſse ziem-
lich glücklich, und ich will Dir nur noch einige Worte über das Einzelne hinzu-
fügen. JIn London blieben wir drei Tage, und reisten den vierten, es war
ein Sonntag, morgen werden es vierzehn Tage, ab; am Abend waren
wir gegen 12 Uhr in der Manchester. Dort blieben wir bis zum nächsten
Sonntag, wo wir wieder nach London reisten. Montag und Dienstag blieben
wir dort, gingen zu den Maklern, beſsahen noch einiges Merkwürdige
und gingen Dienstag Abend etwas vor zwölf auf das Schiff. Den andern
Morgen waren wir ſschon in der See; der Vater wurde leider bald ſsee-
krank und legte ſsich ſschon vor Mittag zu Bette; ich blieb ganz wohl,
aber wenn ich was aß, mußte ich es gleich wieder von mir geben.
Endlich gegen Abends ſsieben Uhr fühlte auch ich anhaltende UebelkeitÜbelkeit
und legte mich gleichfalls nieder; den andern Tag stand ich gegen 3
oder 4 Uhr Nachmittags wieder auf, aß etwas, das mir gut bekam, und
als einige Stunden nachher stand der Vater auch auf. Als es dunkel wur-
de, ſsahen wir die Leuchtthürme an der deutſschen Küste, und wenn wir noch
eine Stunde gefahren hätten, hätten wir ſschon auns Land gehen können,
aber der Lootſse wollte nicht weiter fahren, weil er die Untiefen fürchtete
und ſso blieben wir die Nacht über liegen; am andern Morgen aber
waren wir um 5 Uhr in Cuxhaven, fuhren gleich durch die Lu einen
Theil der lüneburger Heide nach Bremerhafen, und kamen Abends
ſsieben Uhr bei in Bremen an. Nach einigem Umkleiden gingen
wir noch eben zu Treviranus, fanden ihn aber nicht zu Hauſse,
er kam aber heute Morgen und fand uns, wie Du geleſsen haben
wirst, im Bette. Jetzt ſsind wir im Begriffe, hinzugehen, wir eſsſsen heute
Mittag da, darum ſschließe ich. Grüße Alle recht herzlich von mir,
auch die Großmutter und die Tante, und lebe recht wohl
 

Dein treuer Sohn
Friedrich
Dein treuer Sohn
Friedrich


„Die Rückreise erfolgte mit dem englischen Dampfschiff ‚Countess of Lonsdale‘.“ (Michael Knieriem (Hg.): Die Herkunft des Friedrich Engels. Trier 1991, S. 580.)


Mathilde Catharine Treviranus, geb. Castendyck (1794–1878), verheiratet mit Georg Gottfried Treviranus (1788–1868).


Friedrich Strücker. Näheres nicht ermittelt.


Nicht ermittelter Nachbar der Familie Engels. Die Flur ‚In den Springen‘ lag südlich des ‚Barmer Bruchs‘ und ist z.B. verzeichnet in der Topographische Aufnahme der Rheinlande (1801–1828) von Jean Joseph Tranchot (1752–1815), frz. Geograph. Die heutigen Straßennamen „Im Springen“ und „Springer Straße“ nehmen Bezug auf die historische Flurbezeichnung.


Frz. Bezeichnung für ungezwirnte Rohseidenfäden, die nur durch den natürlichen Seidenleim zusammengehalten werden.


Franz Eduard Johann Daniel Friedrich von Griesheim (1811–?), kaufmännischer Lehrling in der Firma Friedr. Engels & Comp. in Barmen. Er war der älteste Sohn von Friederike von Griesheim, geb. van Haar (1789–1880), Tante von Friedrich Engels jun.


Die Schwiegermutter Franziska van Haar, geb. Snethlage
(1758–1846).


Susanne Christine Johanne, genannt „Hannchen“, Lipka, geb. van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar, und Tante von Friedrich Engels jun. 1824 Heirat mit
Heinrich Adolph Lipka (1792–1829).


Auf dem Weg von Cuxhaven und Bremerhaven liegen die Marschgebiete Land Hadeln und Land Wursten, die südlich bzw. östlich von Geestrücken eingefasst werden. Deren sandiger Untergrund hat die Entstehung der ‚Wurster Heide‘ begünstigt. Die Ähnlichkeit dieser Landschaft mit der ‚Lüneburger Heide‘ mag zu Friedrich Engels‘ Irrtum geführt haben (vgl. Michael Knieriem (Hg.): Die Herkunft des Friedrich Engels. Trier 1991, S. 580, Anm. 5).


BremenDie Schlachte in Bremen. Robert Hüser (um 1802–1853). Lithographie, 1862. Wikimedia Commons

BarmenBarmen und Wupperfeld (Ausschnitt). Johann Heinrich Bleuler (1758–1823). Umrissradierung mit Gouache, um 1810. © Museum Industriekultur Wuppertal