Friedrich Engels sen.
1796 – 1860



Barmen

Elise Engels (geb. van Haar)
1797 – 1873



Hamm

1.1.

An meine liebe Eliſse.

Barmen, 3. Juli 1818.

Mit welchem frohen, ſseligen Gefühle ich jetzt an
dich meine gute innigst geliebte Eliſse ſschreibe, kann
ich mit Worten nicht ausdrücken; dein mit mir
ſso ganz stimmendes Herz wird es kennen.
Ich ſschreibe
nämlich mit der völligen Einwilligung meiner lieben
Eltern. Gleich den anderen Morgen nach unſserer
Ankunft ſsagte mein Vater unſser Verhältniß meiner
Mutter, ſsie war damit ebenfalls ganz zufrieden, und
ſsprach den Nachmittag recht freundlich mit mir über dich.
Meine l.lieben Eltern fanden es für nöthig auch jetzt ſschon
mit meinem Oncle davon zu ſsprechen, und ich stimmte
ihnen ganz bei. Du wirst dieſsen indeß ſso auch haben
kennen gelernt haben, daß es bei dieſsem herzensguten
Manne viel darauf ankommt, in welcher Stimmung
und auf welche Art ihm eine Sache beigebracht wird, und
daß bei ihm der erste Eindruck, den etwas der Art
auf ihn macht, von langer Dauer ist; wir hielten es
daher für gut, einen ſschicklichen Zeitpunkt bei ihm
abzuwarten. Durch einen Bremer Freund, der ſseit
ein paar Tagen bei ihm logirt, ist er nun mehr be
ſschäftigt, bleibt aber dabei froh, und ſso denke ich wird
Papa ihm in Gottes Namen erster Tage alles mittheilen.
JIch zweifle keinen Augenblick an ſseiner völligen Ge
nehmigung, indeß hats mich doch bis jetzt an einem
Schritte abgehalten, den du gewiß auch für gut finden
wirst. JIch hatte nämlich vor, liebe Eliſse, meinen
ersten Brief an dich in einen Brief an deine guten
Eltern
einzuſschlagen, und dieſse in demſselben mit der
Bewilligung meiner Eltern um die Erlaubniß
zu bitten, mit dir Briefe wechſseln zu dürfen. Dieſses
durfte ich aber ohne meinen Oncle nicht thun, der wie
du weißt, durch ſseine große Liebe zu uns auch mehr
Rechte wie gewöhnliche Verwandten hat. Sobald er alſso
eingeweiht ist, leite ſschreibe ich an deine lieben Eltern.

Binnen 8 Tagen muß alles in Ordnung ſseyn, denn
höchstwahrſscheinlich werde ich dann meine Reiſse antreten
u.und dieſses thue ich nicht eher bis ich alles in Ordnung weiß!

Wäre es nicht gut liebe Eliſse, wenn du vorläufig deinen
lieben Eltern deine Liebe zu mir entdecktest, damit ſsie
zuerst von dir, als Tochter etwas Bestimmtes darüber
erführen?
Mache du dieſses wie es dir und Friederike
am beßten ſscheint.

Wenn ich ſso, meine gute Eliſse die ſschnelle und
die ſso überaus günstige Wendung unſserer Angelegenheit
bedenke, ſso kommt mir oft das ganze wie ein an
genehmer Traum vor; es kam alles ſso ſschnell,
und ſso unerwartet. Wenn ich mir ſso oft den möglichst
leichtesten Ausgang dachte, ſso war er immer noch mit
mehr Schwierigkeiten verbunden, als nun in der
Wirklichkeit ſsich zeigten. O laß uns nicht vergeßenvergessen,
unſserm lieben himmliſschen Vater für dieſsen herzlich
zu danken, daß Er die Herzen unſserer Eltern
ſso lenkte, und uns beiden durch die ſso liebevolle
Einwilligung derſselben einen Beweis gab, daß
unſsere Verbindung ſseinem heiligen Willen gemäß ist;
ich wenigstens bin von dem letztern dadurch um ſso
mehr überzeugt worden. –

Nun gutes Mädchen mußt du mir aber auch
einen einzigen Gefallen thun, und recht froh u.und
vergnügt leben, damit du dich wieder recht erholst,
denn der Druck, den wir fühlten, hatte dich doch
etwas angegriffen; Wirwir wollen nun beiderſseits
recht munter in unſserm Berufe arbeiten, und
uns über unſsere jetzt nur kurze Trennung
durch öftere frohe Blicke in die Zukunft trösten.
Mir wirds freilich oft ſsehr ſschwer, nicht bei dir
ſseÿyn zu können, und es wird auf der langen
Reiſse, die ich vorhabe, es mir noch oft ſsauer
werden, ganz allein in der Welt herum zu reiſsen,
und mit Niemanden von dir nur ſsprechen zu
können!
O wie ſsehnt ſsich mein liebendes Herz nach

dir, wenn ich allein bin, wie verlangt mich oft, mein
Herz ſso recht dir auszuſschütten, du treues Mädchen! O der
ſse Raum, der uns noch trennt!

Meine Aeltern ſsind jetzt recht mit unſserer Liebe
auf ihrem Schick, wie man hier zu ſsagen pflegt. Die
l.liebe Mutter ſspricht mit mir ſschon über Wohnung Einrichtung
u.und ſs.ſso w.weiter u.und äußerte bei der Gelegenheit, daß die
Braut gewöhnlich gerne das Einrichten ſselbst leitete,
daß du dann doch herkommen u.und bei Julchen oder
Overbecks logiren mögtest, kurz ſsie ſspricht von
unſserer Haushaltung als einer nahen gewohnten Sache,
und zwar immer mit vieler Gemüthlichkeit. Beſsonders
ist ihr aufgefallen, daß Papa ihr die Sache mit einer
ſso außergewöhnlichen Fröhlichkeit u.und Ruhe erzählt habe,
da er doch ſsonst nie habe vom Heirathen hören wollen,
u.und ſsie ſsieht dieſse Stimmung des guten Papas als nicht
von Ungefähr an, und hat auch recht dazubei.
Sie lobte
den August ſsehr, u.und ſsagte er habe ſsich treu und
bürgerlich gezeigt, daß er mir ſso redlich beigestanden
habe. Kurz, täglich habe ich neue Urſsache, mich zu
freuen, u.und Gott für die gnädige Erhörung unſserer beider
ſseitigen GebäteGebete zu danken. – Als mein Bruder Casper
es der guten Julchen ſsagte, daß ſsie dich zur Schwester
bekommen würde, weinte dieſse Freudenthränen, u.und
konnte vor froher UeberraſschungÜberraſschung die Nacht kaum ſschlafen.
Du wirst an ihr eine rechte liebe Schwester bekommen.
UeberhauptÜberhaupt ſspricht alles hier mit großer Theilnahme
von dir beſsonders Overbecks und Wittensteins, wo das Haus
damals verſschoben wurde, weißt du noch? Den alten
Overbecks will ich erster Tage mein Glück auch mittheilen,
denn die nehmen recht herzlich Antheil an mir.

Zu Zeiten will mir die Geduld reißen, bis ich
unter unſseren beiden Familien unſser Verhältniß ganz be
kannt ſsehe, denn du glaubst gar nicht, wie unangenehm
es mir oft geweſsen ist, eine ſso ehrliche u.und gute Sache wie

unſsere Liebe mit einer ſso ängstlichen Vorſsichtigkeit
behandeln zu müßenmüssen. Und doch, ich ſsehe es jetzt mehr
ein wie je, war dieſse nöthig um einen ſso glücklichen
Ausgang herbei führen zu helfen, denn es würde auf
Papa einen ganz verkehrten Eindruck gemacht haben
wenn er auf einem andern Wege als durch mich, etwas
Bestimmtes darüber gehört hätte.

Bis nach meiner Reiſse – doch darüber Morgen mehr,
denn es ist ½ 1 u.und die Natur fordert auch das ihre; nämlich
den Schlaf. Du ſschläfst jetzt wohl ſsüß, u.und träumst vielleicht
von mir. Schlafe dann unter Gottes Schutz ſsanft, und
wache morgen froh auf.

Zu meinem Bedauern ging heute keine Post nach Hamm
ab, und du bekommst daher meinen Brief um einen
Tag ſspäter. Du würdest dieſsen Brief ſschon ſseit Mittwoch
oder Dienstag gehabt haben, denn nichts lag mir mehr am
Herzen, als dich gutes treues Bräutchen ganz zu beruhigen,
aber ich wollte dir gerne den ersten Brief auf die
neben erzählte Art ſschicken u.und hoffte von Tag zu Tag,
daß ſsich eine günstige Gelegenheit, mit Pathohm zu ſsprechen,
darbieten würde. Zulezt konnte ich’s aber nicht mehr aushalten,
und bat meine Eltern um Erlaubniß, dir vorläufig
ſschreiben und die Einwilligung von Mama zu deiner Beruhigung
mittheilen zu dürfen. Von dieſser Seite mußt du meinen
jetzigen Brief anſsehen, es kostet mir fast UeberwindungÜberwindung,
ihn an Friederike adressiren zu müßenmüssen, ſso ſsehr ſscheue
ich nun noch jeden Umweg, u.und ſso gerne möchte ich die Sache
zwiſschen unſseren Familien klar ſsehen.
Nun wieder
da angefangen wo ich die vergangene Nacht aufhörte.
Bis nach meiner Reiſse, alſso gegen den Herbst, wird unſsere
Liebe nur unſsern Familien bekannt ſseÿyn dürfen
dann können unſsere Aeltern ja entſscheiden, ob es
Zeit zur öffentlichen Bekanntmachung ſseÿye.

Wir wollen uns nun ganz geduldig verhalten
u.und uns des Guten freuen, was wir Gott ſeÿsey Dank jetzt
zu genießen haben, nun wird uns ein wenig Warten

nicht ſsauer nicht wahr liebe Eliſse? UebrigensÜbrigens werde ich hier
ſschon von allen Seiten mit dir geneckt, u.und dir wirds auch ſso gehen.

Meine Mutter frug mich gestern, ob mich meine
Reiſse nicht über Hamm führte; durch Umwege wohl,
antwortete ich. Vielleicht könntest du es dann bei deiner
Rückreiſse einrichten, daß du deine Eliſse einmal wieder
ſsähest, erwiederte ſsie freundlich. – Ob dieſses gehen kann
darüber bin ich zwar noch nicht im Stande dir etwas be
stimmtes zu ſsagen, wenns mir halb möglich ist, ſso wirst
du überzeugt ſseÿyn, daß kein Umweg von 30 Stunden mich davon
abhalten kann; mich freute nur bei dieſser Äußerung
die liebevolle Sorge meiner Mutter.

Meine Reiſse wird mich über Frankfurt a/M)Frankfurt am Main, Stuttgardt,
München, Augsburg, Salzburg vielleicht Linz an derDonau, Inspruk
u.und dann über Nürnberg wieder zurück führen. Mein
Trost auf der Reiſse wird ſseyn, daß ich an dich ſschreiben
u.und denken kann, u.und beides werde ich redlich thun. Mit
dem Aufgeben der Adressen hat es ſseine Schwierigkeiten
weil du meine Route nicht ſso verfolgen kannst,.[...] xxxEs
wird daher am besten ſseÿyn, daß du deine Briefe an
meinen Bruder Casper ſschickst, u.und dieſser ſsie an den Handlungs
briefen
an mich beifügt.
Nur daß du mir recht fleißig
ſschreibst, und immer eingedenk bist, daß ſso etwas
ein wahres Labſsal in der Ferne ist. Vor meiner
Abreiſse beſsuche ich den guten Ludwig in Moeurs, um
auch mit dieſsem recht von der Leber ſsprechen zu können.
JIch hoffe er wird nichts gegen den neuen Schwager ein
zuwenden haben.

August ſschreibt mir gestern, daß ſsie übermorgen
nach Siegburg abmarſschieren, um dort Batterien zu
bauen, u.und die Revüe abzuhalten. Der arme Schelm
wird noch tüchtig ſschwitzen müßenmüssen. – Er läßt dich
aufs herzlichste Ggrüßen. – UeberÜber den wichtigern Sachen
habe ich vergeßenvergessen, dir mein gutes Mädchen für den ſschönen
Tabaksbeutel zu danken, thue es aber hiermit herzlich,
u.und küßte dich gar zu gerne dafür, wenn du nur statt
der alten Frau da auf der Kuppel der Tabaksdoſse, die
grade vor mir steht, vor mir ständest. Doch ganz gelaßen??
wiſsche ich mir den Mund, u.und ſschreibe weiter. Ja wohl
Geduld überwindet alles!

Doch bald ist es Zeit daß ich ans Ende denke, denn
ſsonst verſschreibe ich unſsern ganzen Papiervorrath:
JIch glaube ich könnte noch einen ganzen Tag am Plaudern
mit dir bleiben. Wir wollen uns freuen, daß wir
durch Schreiben uns etwas mittheilen können, indeß
im Ganzen ist es doch ein erbärmliches Behelfsmittel
xxxxx st[...] im Vergleich mit der Wonne, im Arme eines ſsolchen Mädchens wie
meine Eliſse die Stunden vorbeifliegen zu laßenlassen
und die Seelen in einander zu ergießen. -

Wie ſsieht es nun mit deiner Antwort aus? JIch
hoffe du wirst mich nicht warten laßenlassen, und dich
gleich, wenns dir möglich ist hinſsetzen und mir auch
einen recht ellenlangen Brief ſschreiben; Eses wird
dir gewiß auch wohl thun, einmal ſso recht nach Herzenſslust
mit mir plaudern zu können. Schlage deinen Brief
an M.Minchen Sparrenberg ein.

Morgen gehe ich zum heil.heiligen Abendmahl; o Gott wie danke
ich dir, daß ich nun mit einer ſso gänzlichen Ruhe dieſse
wichtige Handlung begehen kann!

Meine Geſschwister, meine l.lieben Eltern u.und M.Minchen Sparrenberg
laßenlassen dich herzlich grüßen. Schreibe mir ja bald, und
grüße Hannchen u.und deine Freundinn F.Friederike Schmitz unbe
kannter Weiſse herzlich von mir, u.und denke oft an

Deinen treuen

.//. Friedrich.

Im Vergleich mit den Brautbriefen seiner Eltern weisen die von Friedrich sen. mit seiner Geliebten und späteren Gattin Elise van Haar unzweideutig einen gefühlsbetonteren und intimeren Charakter auf – Beleg für den historischen Wandel der Liebes- und Ehekonzeption (siehe hierzu auch: Thorsten Dette: „Ach Gott, welch ein seliges Gefühl ist doch die Liebe“: Brautbriefe der Familie Engels im Kontext zeitgenössischer Standesschranken und Hochzeitsbräuche. In: Geschichte im Wuppertal (GIW) 24, 2015,
S. 6–22).


Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm’ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel von Friedrich Engels sen.


Nicht ermittelt.


Gerhard Bernhard van Haar (1760–1837) und Franziska Christina van Haar, geb. Snethlage (1758–1846). Großeltern von
Friedrich Engels jun.


Louise Friederike Wilhelmine von Griesheim, geb. van Haar
(1789–1880), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar
(1797–1873) und Tante von Friedrich Engels jun.


Wilhelmine Julie (Julchen) Engels, geb. Overbeck (1795–1846), 1815 Heirat mit Johann Caspar Engels III (1792–1863). Tante von Friedrich Engels jun.


Johann Heinrich Overbeck (1767–1833), Kaufmann in Unterbarmen, und Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).


August Engels (1797–1874), Fabrikbesitzer in Barmen. Onkel von Friedrich Engels jun.


Johann Caspar Engels III (1792–1863), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. (Erstgeborener) Bruder von
Friedrich Engels sen.


Vermutlich die Familien von Caspar Wilhelm Wittenstein (1770–1847) und Johannes Friedrich Wittenstein (1772–1847), Besitzer einer Türkischrot-Färberei an der Haspeler Brücke (Barmen). Es handelt sich um die Brüder von Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).


Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm‘ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel des Vaters von Friedrich Engels.


Geschäftsbriefe.


Ludwig Leonhard Moritz van Haar (1790–1873), preußischer Oberförster in Moers und Xanten. Bruder von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Onkel von Friedrich Engels.


Wilhelmine (Minchen) Elisabeth Sparenberg (1788–1841), langjährige Haushälterin bei Johann Caspar Engels (1753–1821), Friedrich Engels sen. (1796–1860) und Louise Snethlage, geb. Engels (1799–1845).


Johann Caspar Engels (1792–1863), August Engels (1797–1874) und Louise Engels (1799–1845).


Susanne Christine Johanne (Hannchen) van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Tante von Friedrich Engels jun.


Friederike (Riekchen) Maria Menkhoff, geb. Schmits (1800–1882), Freundin von Elise Engels in Hamm.

1.1.

An meine liebe Eliſse.

Barmen, 3. Juli 1818.

Mit welchem frohen, ſseligen Gefühle ich jetzt an
dich meine gute innigst geliebte Eliſse ſschreibe, kann
ich mit Worten nicht ausdrücken; dein mit mir
ſso ganz stimmendes Herz wird es kennen.
Ich ſschreibe
nämlich mit der völligen Einwilligung meiner lieben
Eltern. Gleich den anderen Morgen nach unſserer
Ankunft ſsagte mein Vater unſser Verhältniß meiner
Mutter, ſsie war damit ebenfalls ganz zufrieden, und
ſsprach den Nachmittag recht freundlich mit mir über dich.
Meine l.lieben Eltern fanden es für nöthig auch jetzt ſschon
mit meinem Oncle davon zu ſsprechen, und ich stimmte
ihnen ganz bei. Du wirst dieſsen indeß ſso auch haben
kennen gelernt haben, daß es bei dieſsem herzensguten
Manne viel darauf ankommt, in welcher Stimmung
und auf welche Art ihm eine Sache beigebracht wird, und
daß bei ihm der erste Eindruck, den etwas der Art
auf ihn macht, von langer Dauer ist; wir hielten es
daher für gut, einen ſschicklichen Zeitpunkt bei ihm
abzuwarten. Durch einen Bremer Freund, der ſseit
ein paar Tagen bei ihm logirt, ist er nun mehr be
ſschäftigt, bleibt aber dabei froh, und ſso denke ich wird
Papa ihm in Gottes Namen erster Tage alles mittheilen.
JIch zweifle keinen Augenblick an ſseiner völligen Ge
nehmigung, indeß hats mich doch bis jetzt an einem
Schritte abgehalten, den du gewiß auch für gut finden
wirst. JIch hatte nämlich vor, liebe Eliſse, meinen
ersten Brief an dich in einen Brief an deine guten
Eltern
einzuſschlagen, und dieſse in demſselben mit der
Bewilligung meiner Eltern um die Erlaubniß
zu bitten, mit dir Briefe wechſseln zu dürfen. Dieſses
durfte ich aber ohne meinen Oncle nicht thun, der wie
du weißt, durch ſseine große Liebe zu uns auch mehr
Rechte wie gewöhnliche Verwandten hat. Sobald er alſso
eingeweiht ist, leite ſschreibe ich an deine lieben Eltern.

Binnen 8 Tagen muß alles in Ordnung ſseyn, denn
höchstwahrſscheinlich werde ich dann meine Reiſse antreten
u.und dieſses thue ich nicht eher bis ich alles in Ordnung weiß!

Wäre es nicht gut liebe Eliſse, wenn du vorläufig deinen
lieben Eltern deine Liebe zu mir entdecktest, damit ſsie
zuerst von dir, als Tochter etwas Bestimmtes darüber
erführen?
Mache du dieſses wie es dir und Friederike
am beßten ſscheint.

Wenn ich ſso, meine gute Eliſse die ſschnelle und
die ſso überaus günstige Wendung unſserer Angelegenheit
bedenke, ſso kommt mir oft das ganze wie ein an
genehmer Traum vor; es kam alles ſso ſschnell,
und ſso unerwartet. Wenn ich mir ſso oft den möglichst
leichtesten Ausgang dachte, ſso war er immer noch mit
mehr Schwierigkeiten verbunden, als nun in der
Wirklichkeit ſsich zeigten. O laß uns nicht vergeßenvergessen,
unſserm lieben himmliſschen Vater für dieſsen herzlich
zu danken, daß Er die Herzen unſserer Eltern
ſso lenkte, und uns beiden durch die ſso liebevolle
Einwilligung derſselben einen Beweis gab, daß
unſsere Verbindung ſseinem heiligen Willen gemäß ist;
ich wenigstens bin von dem letztern dadurch um ſso
mehr überzeugt worden. –

Nun gutes Mädchen mußt du mir aber auch
einen einzigen Gefallen thun, und recht froh u.und
vergnügt leben, damit du dich wieder recht erholst,
denn der Druck, den wir fühlten, hatte dich doch
etwas angegriffen; Wirwir wollen nun beiderſseits
recht munter in unſserm Berufe arbeiten, und
uns über unſsere jetzt nur kurze Trennung
durch öftere frohe Blicke in die Zukunft trösten.
Mir wirds freilich oft ſsehr ſschwer, nicht bei dir
ſseÿyn zu können, und es wird auf der langen
Reiſse, die ich vorhabe, es mir noch oft ſsauer
werden, ganz allein in der Welt herum zu reiſsen,
und mit Niemanden von dir nur ſsprechen zu
können!
O wie ſsehnt ſsich mein liebendes Herz nach

dir, wenn ich allein bin, wie verlangt mich oft, mein
Herz ſso recht dir auszuſschütten, du treues Mädchen! O der
ſse Raum, der uns noch trennt!

Meine Aeltern ſsind jetzt recht mit unſserer Liebe
auf ihrem Schick, wie man hier zu ſsagen pflegt. Die
l.liebe Mutter ſspricht mit mir ſschon über Wohnung Einrichtung
u.und ſs.ſso w.weiter u.und äußerte bei der Gelegenheit, daß die
Braut gewöhnlich gerne das Einrichten ſselbst leitete,
daß du dann doch herkommen u.und bei Julchen oder
Overbecks logiren mögtest, kurz ſsie ſspricht von
unſserer Haushaltung als einer nahen gewohnten Sache,
und zwar immer mit vieler Gemüthlichkeit. Beſsonders
ist ihr aufgefallen, daß Papa ihr die Sache mit einer
ſso außergewöhnlichen Fröhlichkeit u.und Ruhe erzählt habe,
da er doch ſsonst nie habe vom Heirathen hören wollen,
u.und ſsie ſsieht dieſse Stimmung des guten Papas als nicht
von Ungefähr an, und hat auch recht dazubei.
Sie lobte
den August ſsehr, u.und ſsagte er habe ſsich treu und
bürgerlich gezeigt, daß er mir ſso redlich beigestanden
habe. Kurz, täglich habe ich neue Urſsache, mich zu
freuen, u.und Gott für die gnädige Erhörung unſserer beider
ſseitigen GebäteGebete zu danken. – Als mein Bruder Casper
es der guten Julchen ſsagte, daß ſsie dich zur Schwester
bekommen würde, weinte dieſse Freudenthränen, u.und
konnte vor froher UeberraſschungÜberraſschung die Nacht kaum ſschlafen.
Du wirst an ihr eine rechte liebe Schwester bekommen.
UeberhauptÜberhaupt ſspricht alles hier mit großer Theilnahme
von dir beſsonders Overbecks und Wittensteins, wo das Haus
damals verſschoben wurde, weißt du noch? Den alten
Overbecks will ich erster Tage mein Glück auch mittheilen,
denn die nehmen recht herzlich Antheil an mir.

Zu Zeiten will mir die Geduld reißen, bis ich
unter unſseren beiden Familien unſser Verhältniß ganz be
kannt ſsehe, denn du glaubst gar nicht, wie unangenehm
es mir oft geweſsen ist, eine ſso ehrliche u.und gute Sache wie

unſsere Liebe mit einer ſso ängstlichen Vorſsichtigkeit
behandeln zu müßenmüssen. Und doch, ich ſsehe es jetzt mehr
ein wie je, war dieſse nöthig um einen ſso glücklichen
Ausgang herbei führen zu helfen, denn es würde auf
Papa einen ganz verkehrten Eindruck gemacht haben
wenn er auf einem andern Wege als durch mich, etwas
Bestimmtes darüber gehört hätte.

Bis nach meiner Reiſse – doch darüber Morgen mehr,
denn es ist ½ 1 u.und die Natur fordert auch das ihre; nämlich
den Schlaf. Du ſschläfst jetzt wohl ſsüß, u.und träumst vielleicht
von mir. Schlafe dann unter Gottes Schutz ſsanft, und
wache morgen froh auf.

Zu meinem Bedauern ging heute keine Post nach Hamm
ab, und du bekommst daher meinen Brief um einen
Tag ſspäter. Du würdest dieſsen Brief ſschon ſseit Mittwoch
oder Dienstag gehabt haben, denn nichts lag mir mehr am
Herzen, als dich gutes treues Bräutchen ganz zu beruhigen,
aber ich wollte dir gerne den ersten Brief auf die
neben erzählte Art ſschicken u.und hoffte von Tag zu Tag,
daß ſsich eine günstige Gelegenheit, mit Pathohm zu ſsprechen,
darbieten würde. Zulezt konnte ich’s aber nicht mehr aushalten,
und bat meine Eltern um Erlaubniß, dir vorläufig
ſschreiben und die Einwilligung von Mama zu deiner Beruhigung
mittheilen zu dürfen. Von dieſser Seite mußt du meinen
jetzigen Brief anſsehen, es kostet mir fast UeberwindungÜberwindung,
ihn an Friederike adressiren zu müßenmüssen, ſso ſsehr ſscheue
ich nun noch jeden Umweg, u.und ſso gerne möchte ich die Sache
zwiſschen unſseren Familien klar ſsehen.
Nun wieder
da angefangen wo ich die vergangene Nacht aufhörte.
Bis nach meiner Reiſse, alſso gegen den Herbst, wird unſsere
Liebe nur unſsern Familien bekannt ſseÿyn dürfen
dann können unſsere Aeltern ja entſscheiden, ob es
Zeit zur öffentlichen Bekanntmachung ſseÿye.

Wir wollen uns nun ganz geduldig verhalten
u.und uns des Guten freuen, was wir Gott ſeÿsey Dank jetzt
zu genießen haben, nun wird uns ein wenig Warten

nicht ſsauer nicht wahr liebe Eliſse? UebrigensÜbrigens werde ich hier
ſschon von allen Seiten mit dir geneckt, u.und dir wirds auch ſso gehen.

Meine Mutter frug mich gestern, ob mich meine
Reiſse nicht über Hamm führte; durch Umwege wohl,
antwortete ich. Vielleicht könntest du es dann bei deiner
Rückreiſse einrichten, daß du deine Eliſse einmal wieder
ſsähest, erwiederte ſsie freundlich. – Ob dieſses gehen kann
darüber bin ich zwar noch nicht im Stande dir etwas be
stimmtes zu ſsagen, wenns mir halb möglich ist, ſso wirst
du überzeugt ſseÿyn, daß kein Umweg von 30 Stunden mich davon
abhalten kann; mich freute nur bei dieſser Äußerung
die liebevolle Sorge meiner Mutter.

Meine Reiſse wird mich über Frankfurt a/M)Frankfurt am Main, Stuttgardt,
München, Augsburg, Salzburg vielleicht Linz an derDonau, Inspruk
u.und dann über Nürnberg wieder zurück führen. Mein
Trost auf der Reiſse wird ſseyn, daß ich an dich ſschreiben
u.und denken kann, u.und beides werde ich redlich thun. Mit
dem Aufgeben der Adressen hat es ſseine Schwierigkeiten
weil du meine Route nicht ſso verfolgen kannst,.[...] xxxEs
wird daher am besten ſseÿyn, daß du deine Briefe an
meinen Bruder Casper ſschickst, u.und dieſser ſsie an den Handlungs
briefen
an mich beifügt.
Nur daß du mir recht fleißig
ſschreibst, und immer eingedenk bist, daß ſso etwas
ein wahres Labſsal in der Ferne ist. Vor meiner
Abreiſse beſsuche ich den guten Ludwig in Moeurs, um
auch mit dieſsem recht von der Leber ſsprechen zu können.
JIch hoffe er wird nichts gegen den neuen Schwager ein
zuwenden haben.

August ſschreibt mir gestern, daß ſsie übermorgen
nach Siegburg abmarſschieren, um dort Batterien zu
bauen, u.und die Revüe abzuhalten. Der arme Schelm
wird noch tüchtig ſschwitzen müßenmüssen. – Er läßt dich
aufs herzlichste Ggrüßen. – UeberÜber den wichtigern Sachen
habe ich vergeßenvergessen, dir mein gutes Mädchen für den ſschönen
Tabaksbeutel zu danken, thue es aber hiermit herzlich,
u.und küßte dich gar zu gerne dafür, wenn du nur statt
der alten Frau da auf der Kuppel der Tabaksdoſse, die
grade vor mir steht, vor mir ständest. Doch ganz gelaßen??
wiſsche ich mir den Mund, u.und ſschreibe weiter. Ja wohl
Geduld überwindet alles!

Doch bald ist es Zeit daß ich ans Ende denke, denn
ſsonst verſschreibe ich unſsern ganzen Papiervorrath:
JIch glaube ich könnte noch einen ganzen Tag am Plaudern
mit dir bleiben. Wir wollen uns freuen, daß wir
durch Schreiben uns etwas mittheilen können, indeß
im Ganzen ist es doch ein erbärmliches Behelfsmittel
xxxxx st[...] im Vergleich mit der Wonne, im Arme eines ſsolchen Mädchens wie
meine Eliſse die Stunden vorbeifliegen zu laßenlassen
und die Seelen in einander zu ergießen. -

Wie ſsieht es nun mit deiner Antwort aus? JIch
hoffe du wirst mich nicht warten laßenlassen, und dich
gleich, wenns dir möglich ist hinſsetzen und mir auch
einen recht ellenlangen Brief ſschreiben; Eses wird
dir gewiß auch wohl thun, einmal ſso recht nach Herzenſslust
mit mir plaudern zu können. Schlage deinen Brief
an M.Minchen Sparrenberg ein.

Morgen gehe ich zum heil.heiligen Abendmahl; o Gott wie danke
ich dir, daß ich nun mit einer ſso gänzlichen Ruhe dieſse
wichtige Handlung begehen kann!

Meine Geſschwister, meine l.lieben Eltern u.und M.Minchen Sparrenberg
laßenlassen dich herzlich grüßen. Schreibe mir ja bald, und
grüße Hannchen u.und deine Freundinn F.Friederike Schmitz unbe
kannter Weiſse herzlich von mir, u.und denke oft an

Deinen treuen

.//. Friedrich.

Im Vergleich mit den Brautbriefen seiner Eltern weisen die von Friedrich sen. mit seiner Geliebten und späteren Gattin Elise van Haar unzweideutig einen gefühlsbetonteren und intimeren Charakter auf – Beleg für den historischen Wandel der Liebes- und Ehekonzeption (siehe hierzu auch: Thorsten Dette: „Ach Gott, welch ein seliges Gefühl ist doch die Liebe“: Brautbriefe der Familie Engels im Kontext zeitgenössischer Standesschranken und Hochzeitsbräuche. In: Geschichte im Wuppertal (GIW) 24, 2015,
S. 6–22).


Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm’ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel von Friedrich Engels sen.


Nicht ermittelt.


Gerhard Bernhard van Haar (1760–1837) und Franziska Christina van Haar, geb. Snethlage (1758–1846). Großeltern von
Friedrich Engels jun.


Louise Friederike Wilhelmine von Griesheim, geb. van Haar
(1789–1880), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar
(1797–1873) und Tante von Friedrich Engels jun.


Wilhelmine Julie (Julchen) Engels, geb. Overbeck (1795–1846), 1815 Heirat mit Johann Caspar Engels III (1792–1863). Tante von Friedrich Engels jun.


Johann Heinrich Overbeck (1767–1833), Kaufmann in Unterbarmen, und Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).


August Engels (1797–1874), Fabrikbesitzer in Barmen. Onkel von Friedrich Engels jun.


Johann Caspar Engels III (1792–1863), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. (Erstgeborener) Bruder von
Friedrich Engels sen.


Vermutlich die Familien von Caspar Wilhelm Wittenstein (1770–1847) und Johannes Friedrich Wittenstein (1772–1847), Besitzer einer Türkischrot-Färberei an der Haspeler Brücke (Barmen). Es handelt sich um die Brüder von Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).


Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm‘ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel des Vaters von Friedrich Engels.


Geschäftsbriefe.


Ludwig Leonhard Moritz van Haar (1790–1873), preußischer Oberförster in Moers und Xanten. Bruder von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Onkel von Friedrich Engels.


Wilhelmine (Minchen) Elisabeth Sparenberg (1788–1841), langjährige Haushälterin bei Johann Caspar Engels (1753–1821), Friedrich Engels sen. (1796–1860) und Louise Snethlage, geb. Engels (1799–1845).


Johann Caspar Engels (1792–1863), August Engels (1797–1874) und Louise Engels (1799–1845).


Susanne Christine Johanne (Hannchen) van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Tante von Friedrich Engels jun.


Friederike (Riekchen) Maria Menkhoff, geb. Schmits (1800–1882), Freundin von Elise Engels in Hamm.


BarmenBarmen und Wupperfeld (Ausschnitt). Johann Heinrich Bleuler (1758–1823). Umrissradierung mit Gouache, um 1810. © Museum Industriekultur Wuppertal

HammStadtansicht aus "Borussia", um 1840. © Gustav-Lübcke-Museum Hamm