1.1.
Mit welchem frohen, ſseligen Gefühle ich jetzt an
dich meine gute innigſtst geliebte Eliſse ſschreibe, kann
ich mit Worten nicht ausdrücken; dein mit mir
ſso ganz ſtstimmendes Herz wird es kennen. Ich ſschreibe
nämlich mit der völligen Einwilligung meiner lieben
Eltern. Gleich den anderen Morgen nach unſserer
Ankunft ſsagte mein Vater unſser Verhältniß meiner
Mutter, ſsie war damit ebenfalls ganz zufrieden, und
ſsprach den Nachmittag recht freundlich mit mir über dich.
Meine l.lieben Eltern fanden es für nöthig auch jetzt ſschon
mit meinem Oncle davon zu ſsprechen, und ich ſtstimmte
ihnen ganz bei. Du wirſtst dieſsen indeß ſso auch haben
kennen gelernt haben, daß es bei dieſsem herzensguten
Manne viel darauf ankommt, in welcher Stimmung
und auf welche Art ihm eine Sache beigebracht wird, und
daß bei ihm der erſtste Eindruck, den etwas der Art
auf ihn macht, von langer Dauer iſtst; wir hielten es
daher für gut, einen ſschicklichen Zeitpunkt bei ihm
abzuwarten. Durch einen Bremer Freund, der ſseit
ein paar Tagen bei ihm logirt, iſtst er nun mehr be⹀
ſschäftigt, bleibt aber dabei froh, und ſso denke ich wird
Papa ihm in Gottes Namen erſtster Tage alles mittheilen.
JIch zweifle keinen Augenblick an ſseiner völligen Ge⹀
nehmigung, indeß hats mich doch bis jetzt an einem
Schritte abgehalten, den du gewiß auch für gut finden
wirſtst. JIch hatte nämlich vor, liebe Eliſse, meinen
erſtsten Brief an dich in einen Brief an deine guten
Eltern einzuſschlagen, und dieſse in demſselben mit der
Bewilligung meiner Eltern um die Erlaubniß
zu bitten, mit dir Briefe wechſseln zu dürfen. Dieſses
durfte ich aber ohne meinen Oncle nicht thun, der wie
du weißt, durch ſseine große Liebe zu uns auch mehr
Rechte wie gewöhnliche Verwandten hat. Sobald er alſso
eingeweiht iſtst, leite ſschreibe ich an deine lieben Eltern.
Binnen 8 Tagen muß alles in Ordnung ſseyn, denn
höchſtstwahrſscheinlich werde ich dann meine Reiſse antreten
u.und dieſses thue ich nicht eher bis ich alles in Ordnung weiß!
dir, wenn ich allein bin, wie verlangt mich oft, mein
Herz ſso recht dir auszuſschütten, du treues Mädchen! O der
böſse Raum, der uns noch trennt!
Zu Zeiten will mir die Geduld reißen, bis ich
unter unſseren beiden Familien unſser Verhältniß ganz be⹀
kannt ſsehe, denn du glaubſtst gar nicht, wie unangenehm
es mir oft geweſsen iſtst, eine ſso ehrliche u.und gute Sache wie
unſsere Liebe mit einer ſso ängſtstlichen Vorſsichtigkeit
behandeln zu müßenmüssen. Und doch, ich ſsehe es jetzt mehr
ein wie je, war dieſse nöthig um einen ſso glücklichen
Ausgang herbei führen zu helfen, denn es würde auf
Papa einen ganz verkehrten Eindruck gemacht haben
wenn er auf einem andern Wege als durch mich, etwas
Beſtstimmtes darüber gehört hätte.
Zu meinem Bedauern ging heute keine Poſtst nach Hamm
ab, und du bekommſtst daher meinen Brief um einen
Tag ſspäter. Du würdeſtst dieſsen Brief ſschon ſseit Mittwoch
oder Dienſtstag gehabt haben, denn nichts lag mir mehr am
Herzen, als dich gutes treues Bräutchen ganz zu beruhigen,
aber ich wollte dir gerne den erſtsten Brief auf die
neben erzählte Art ſschicken u.und hoffte von Tag zu Tag,
daß ſsich eine günſtstige Gelegenheit, mit Pathohm zu ſsprechen,
darbieten würde. Zulezt konnte ich’s aber nicht mehr aushalten,
und bat meine Eltern um Erlaubniß, dir vorläufig
ſschreiben und die Einwilligung von Mama zu deiner Beruhigung
mittheilen zu dürfen. Von dieſser Seite mußt du meinen
jetzigen Brief anſsehen, es koſtstet mir faſtst UeberwindungÜberwindung,
ihn an Friederike adressiren zu müßenmüssen, ſso ſsehr ſscheue
ich nun noch jeden Umweg, u.und ſso gerne möchte ich die Sache
zwiſschen unſseren Familien klar ſsehen. Nun wieder
da angefangen wo ich die vergangene Nacht aufhörte.
Bis nach meiner Reiſse, alſso gegen den Herbſtst, wird unſsere
Liebe nur unſsern Familien bekannt ſseÿyn dürfen
dann können unſsere Aeltern ja entſscheiden, ob es
Zeit zur öffentlichen Bekanntmachung ſseÿye.
nicht ſsauer nicht wahr liebe Eliſse? UebrigensÜbrigens werde ich hier
ſschon von allen Seiten mit dir geneckt, u.und dir wirds auch ſso gehen.
Doch bald iſtst es Zeit daß ich ans Ende denke, denn
ſsonſtst verſschreibe ich unſsern ganzen Papiervorrath:
JIch glaube ich könnte noch einen ganzen Tag am Plaudern
mit dir bleiben. Wir wollen uns freuen, daß wir
durch Schreiben uns etwas mittheilen können, indeß
im Ganzen iſtst es doch ein erbärmliches Behelfsmittel
ſt xxxxx st[...] im Vergleich mit der Wonne, im Arme eines ſsolchen Mädchens wie
meine Eliſse die Stunden vorbeifliegen zu laßenlassen
und die Seelen in einander zu ergießen. -
Im Vergleich mit den Brautbriefen seiner Eltern weisen die von Friedrich sen. mit seiner Geliebten und späteren Gattin Elise van Haar unzweideutig einen gefühlsbetonteren und intimeren Charakter auf – Beleg für den historischen Wandel der Liebes- und Ehekonzeption (siehe hierzu auch: Thorsten Dette: „Ach Gott, welch ein seliges Gefühl ist doch die Liebe“: Brautbriefe der Familie Engels im Kontext zeitgenössischer Standesschranken und Hochzeitsbräuche. In: Geschichte im Wuppertal (GIW) 24, 2015,
S. 6–22).
Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm’ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel von Friedrich Engels sen.
Nicht ermittelt.
Gerhard Bernhard van Haar (1760–1837) und Franziska Christina van Haar, geb. Snethlage (1758–1846). Großeltern von
Friedrich Engels jun.
Louise Friederike Wilhelmine von Griesheim, geb. van Haar
(1789–1880), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar
(1797–1873) und Tante von Friedrich Engels jun.
Wilhelmine Julie (Julchen) Engels, geb. Overbeck (1795–1846), 1815 Heirat mit Johann Caspar Engels III (1792–1863). Tante von Friedrich Engels jun.
Johann Heinrich Overbeck (1767–1833), Kaufmann in Unterbarmen, und Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).
August Engels (1797–1874), Fabrikbesitzer in Barmen. Onkel von Friedrich Engels jun.
Johann Caspar Engels III (1792–1863), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. (Erstgeborener) Bruder von
Friedrich Engels sen.
Vermutlich die Familien von Caspar Wilhelm Wittenstein (1770–1847) und Johannes Friedrich Wittenstein (1772–1847), Besitzer einer Türkischrot-Färberei an der Haspeler Brücke (Barmen). Es handelt sich um die Brüder von Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).
Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm‘ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel des Vaters von Friedrich Engels.
Geschäftsbriefe.
Ludwig Leonhard Moritz van Haar (1790–1873), preußischer Oberförster in Moers und Xanten. Bruder von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Onkel von Friedrich Engels.
Wilhelmine (Minchen) Elisabeth Sparenberg (1788–1841), langjährige Haushälterin bei Johann Caspar Engels (1753–1821), Friedrich Engels sen. (1796–1860) und Louise Snethlage, geb. Engels (1799–1845).
Johann Caspar Engels (1792–1863), August Engels (1797–1874) und Louise Engels (1799–1845).
Susanne Christine Johanne (Hannchen) van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Tante von Friedrich Engels jun.
Friederike (Riekchen) Maria Menkhoff, geb. Schmits (1800–1882), Freundin von Elise Engels in Hamm.
1.1.
Mit welchem frohen, ſseligen Gefühle ich jetzt an
dich meine gute innigſtst geliebte Eliſse ſschreibe, kann
ich mit Worten nicht ausdrücken; dein mit mir
ſso ganz ſtstimmendes Herz wird es kennen. Ich ſschreibe
nämlich mit der völligen Einwilligung meiner lieben
Eltern. Gleich den anderen Morgen nach unſserer
Ankunft ſsagte mein Vater unſser Verhältniß meiner
Mutter, ſsie war damit ebenfalls ganz zufrieden, und
ſsprach den Nachmittag recht freundlich mit mir über dich.
Meine l.lieben Eltern fanden es für nöthig auch jetzt ſschon
mit meinem Oncle davon zu ſsprechen, und ich ſtstimmte
ihnen ganz bei. Du wirſtst dieſsen indeß ſso auch haben
kennen gelernt haben, daß es bei dieſsem herzensguten
Manne viel darauf ankommt, in welcher Stimmung
und auf welche Art ihm eine Sache beigebracht wird, und
daß bei ihm der erſtste Eindruck, den etwas der Art
auf ihn macht, von langer Dauer iſtst; wir hielten es
daher für gut, einen ſschicklichen Zeitpunkt bei ihm
abzuwarten. Durch einen Bremer Freund, der ſseit
ein paar Tagen bei ihm logirt, iſtst er nun mehr be⹀
ſschäftigt, bleibt aber dabei froh, und ſso denke ich wird
Papa ihm in Gottes Namen erſtster Tage alles mittheilen.
JIch zweifle keinen Augenblick an ſseiner völligen Ge⹀
nehmigung, indeß hats mich doch bis jetzt an einem
Schritte abgehalten, den du gewiß auch für gut finden
wirſtst. JIch hatte nämlich vor, liebe Eliſse, meinen
erſtsten Brief an dich in einen Brief an deine guten
Eltern einzuſschlagen, und dieſse in demſselben mit der
Bewilligung meiner Eltern um die Erlaubniß
zu bitten, mit dir Briefe wechſseln zu dürfen. Dieſses
durfte ich aber ohne meinen Oncle nicht thun, der wie
du weißt, durch ſseine große Liebe zu uns auch mehr
Rechte wie gewöhnliche Verwandten hat. Sobald er alſso
eingeweiht iſtst, leite ſschreibe ich an deine lieben Eltern.
Binnen 8 Tagen muß alles in Ordnung ſseyn, denn
höchſtstwahrſscheinlich werde ich dann meine Reiſse antreten
u.und dieſses thue ich nicht eher bis ich alles in Ordnung weiß!
dir, wenn ich allein bin, wie verlangt mich oft, mein
Herz ſso recht dir auszuſschütten, du treues Mädchen! O der
böſse Raum, der uns noch trennt!
Zu Zeiten will mir die Geduld reißen, bis ich
unter unſseren beiden Familien unſser Verhältniß ganz be⹀
kannt ſsehe, denn du glaubſtst gar nicht, wie unangenehm
es mir oft geweſsen iſtst, eine ſso ehrliche u.und gute Sache wie
unſsere Liebe mit einer ſso ängſtstlichen Vorſsichtigkeit
behandeln zu müßenmüssen. Und doch, ich ſsehe es jetzt mehr
ein wie je, war dieſse nöthig um einen ſso glücklichen
Ausgang herbei führen zu helfen, denn es würde auf
Papa einen ganz verkehrten Eindruck gemacht haben
wenn er auf einem andern Wege als durch mich, etwas
Beſtstimmtes darüber gehört hätte.
Zu meinem Bedauern ging heute keine Poſtst nach Hamm
ab, und du bekommſtst daher meinen Brief um einen
Tag ſspäter. Du würdeſtst dieſsen Brief ſschon ſseit Mittwoch
oder Dienſtstag gehabt haben, denn nichts lag mir mehr am
Herzen, als dich gutes treues Bräutchen ganz zu beruhigen,
aber ich wollte dir gerne den erſtsten Brief auf die
neben erzählte Art ſschicken u.und hoffte von Tag zu Tag,
daß ſsich eine günſtstige Gelegenheit, mit Pathohm zu ſsprechen,
darbieten würde. Zulezt konnte ich’s aber nicht mehr aushalten,
und bat meine Eltern um Erlaubniß, dir vorläufig
ſschreiben und die Einwilligung von Mama zu deiner Beruhigung
mittheilen zu dürfen. Von dieſser Seite mußt du meinen
jetzigen Brief anſsehen, es koſtstet mir faſtst UeberwindungÜberwindung,
ihn an Friederike adressiren zu müßenmüssen, ſso ſsehr ſscheue
ich nun noch jeden Umweg, u.und ſso gerne möchte ich die Sache
zwiſschen unſseren Familien klar ſsehen. Nun wieder
da angefangen wo ich die vergangene Nacht aufhörte.
Bis nach meiner Reiſse, alſso gegen den Herbſtst, wird unſsere
Liebe nur unſsern Familien bekannt ſseÿyn dürfen
dann können unſsere Aeltern ja entſscheiden, ob es
Zeit zur öffentlichen Bekanntmachung ſseÿye.
nicht ſsauer nicht wahr liebe Eliſse? UebrigensÜbrigens werde ich hier
ſschon von allen Seiten mit dir geneckt, u.und dir wirds auch ſso gehen.
Doch bald iſtst es Zeit daß ich ans Ende denke, denn
ſsonſtst verſschreibe ich unſsern ganzen Papiervorrath:
JIch glaube ich könnte noch einen ganzen Tag am Plaudern
mit dir bleiben. Wir wollen uns freuen, daß wir
durch Schreiben uns etwas mittheilen können, indeß
im Ganzen iſtst es doch ein erbärmliches Behelfsmittel
ſt xxxxx st[...] im Vergleich mit der Wonne, im Arme eines ſsolchen Mädchens wie
meine Eliſse die Stunden vorbeifliegen zu laßenlassen
und die Seelen in einander zu ergießen. -
Im Vergleich mit den Brautbriefen seiner Eltern weisen die von Friedrich sen. mit seiner Geliebten und späteren Gattin Elise van Haar unzweideutig einen gefühlsbetonteren und intimeren Charakter auf – Beleg für den historischen Wandel der Liebes- und Ehekonzeption (siehe hierzu auch: Thorsten Dette: „Ach Gott, welch ein seliges Gefühl ist doch die Liebe“: Brautbriefe der Familie Engels im Kontext zeitgenössischer Standesschranken und Hochzeitsbräuche. In: Geschichte im Wuppertal (GIW) 24, 2015,
S. 6–22).
Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm’ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel von Friedrich Engels sen.
Nicht ermittelt.
Gerhard Bernhard van Haar (1760–1837) und Franziska Christina van Haar, geb. Snethlage (1758–1846). Großeltern von
Friedrich Engels jun.
Louise Friederike Wilhelmine von Griesheim, geb. van Haar
(1789–1880), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar
(1797–1873) und Tante von Friedrich Engels jun.
Wilhelmine Julie (Julchen) Engels, geb. Overbeck (1795–1846), 1815 Heirat mit Johann Caspar Engels III (1792–1863). Tante von Friedrich Engels jun.
Johann Heinrich Overbeck (1767–1833), Kaufmann in Unterbarmen, und Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).
August Engels (1797–1874), Fabrikbesitzer in Barmen. Onkel von Friedrich Engels jun.
Johann Caspar Engels III (1792–1863), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. (Erstgeborener) Bruder von
Friedrich Engels sen.
Vermutlich die Familien von Caspar Wilhelm Wittenstein (1770–1847) und Johannes Friedrich Wittenstein (1772–1847), Besitzer einer Türkischrot-Färberei an der Haspeler Brücke (Barmen). Es handelt sich um die Brüder von Johanna Wilhelmine Overbeck, geb. Wittenstein (1774–1844).
Benjamin Engels (1751–1820), genannt ‚Pathohm‘ (Patenonkel), Teilhaber der Firma Caspar Engels Söhne in Barmen. Onkel des Vaters von Friedrich Engels.
Geschäftsbriefe.
Ludwig Leonhard Moritz van Haar (1790–1873), preußischer Oberförster in Moers und Xanten. Bruder von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Onkel von Friedrich Engels.
Wilhelmine (Minchen) Elisabeth Sparenberg (1788–1841), langjährige Haushälterin bei Johann Caspar Engels (1753–1821), Friedrich Engels sen. (1796–1860) und Louise Snethlage, geb. Engels (1799–1845).
Johann Caspar Engels (1792–1863), August Engels (1797–1874) und Louise Engels (1799–1845).
Susanne Christine Johanne (Hannchen) van Haar (1802–1864), Schwester von Elise Engels, geb. van Haar (1797–1873), und Tante von Friedrich Engels jun.
Friederike (Riekchen) Maria Menkhoff, geb. Schmits (1800–1882), Freundin von Elise Engels in Hamm.