Ida Louise Friederike Noot
1762 – 1822

Abschrift von Johann Caspar Engels

Hagen

unbekannte Freundin



Liebststste beststste Fin.Freundin,

Ich Dankedanke dirDir herzlich dafür, Daßdaß Du mir ſschon ſso bald Nachricht von dirDir
und Denden Lieben deinigdeinigenDeinig Deinigen gabstst, so kurz dein Brief auch war, so machte er
mir doch viele FreüdeFreude.

Zu dem angetrettenenangetretenen N.Neuen Jahr wünſsche ich dir meine Liebe! viel
GlükGlück und Denden beststen Seg.Segen Gottes nach dem äußäußern und inerninnern Menſschen,
vorzüglich wünſsche ich: Daß disdies Jahr reich für dich ſsein mag an
H.Heils Gütern, du eine Gabe nach der and.anderen aus der Gnadenfülle J.Jeſsu
Christsti empfangempfangen mögestst, und gute ststarke Fortſschritte in der Heiligung
Thunthun werdestst. umUm deine fernere Liebe 1 | 2 bitte ich dich in 1 dem N.Neuen Jahr
ſsehr, und gebe dir dagegdagegen Verſsichrung von meiner unaufhörlichunaufhörlichen Liebe
und FreündſschaftFreundſschaft;
für mich L.Liebe FreündinFreundin, war das verfloſsſsne
Jahr ein recht Merkwürdigesmerkwürdiges Jahr, welches mir gewiß Zeitlebens
unvergeßlich bleiben wird. vieleViele Bitterkeit führte es für mich mit ſsich
aber auch wieder Vieleviele FreüdenFreuden, und auch mehr ſstofStoff gab es mir
Zumzum Dank und Lobe Gottes, der mir mit ſso auſserordentlichaußerordentlich Vielviel
WeißheitWeisheit und Liebe aus der groſsengroßen, mir ſschon würklichwirklich umſschwebendumſschwebenden
Gefahr errettete, in IrthumIrrthum zu gerathen, über die WichtigststwichtigststWichtigststwichtigststen
WahrheitWahrheiten des Christstenthums, wodurch der Schaden für mich ſso groß
und unausbleiblich geweſsen wäre; Diedie Erfahrung ſso ich Vonvon der
mächtigmächtigen hülfHülf Gottes und von der GebätsErhorungGebetserhörung gemacht habe,
hat mir unbeſschreiblich wohl gethan, und meine HofnungHoffnung & VertrauVertrauen
für die Zukunft ſsehr geststärkt, ſso Daßdaß ich jeztjetzt mit getroststem
Muth mein ganzes SchikſsalSchickſsal in den HändHänden meines Liebevollen H.Himmlischen
Vaters übergeben kankann, in der feststen Zuverſsicht, daß er mich ſso
führen wird wie es für meine Ewige Seligkeit und HerlichkeitHerrlichkeit
Dasdas bestste, Dasdas vortheilhafteststeVortheilhaftestste istst, welches auch jeztjetzt bestständig
der hauptInhaltHauptinhalt meines GebätsGebets iststausmacht; muß hiezu der wegWeg
des Leidens gewählt werden, nun, ſso geſschehe ſsein Heiliger Wille!
Er der Liebreiche Geber aller guten Gabe wird mir auch Denndenn
auf mein GebätGebet Diedie erforderliche Kräfte und Stärke geben,
alles Dasdas zu tragtragen was ich zu meinmeinem beststenBeststen tragtragen muß.

Silvester wurde hier in HagHagen durch eineinen großgroßen Ball gefeÿyert.
Liebstste FreündinFreundin! und vom altalten Jahr ins NeüeNeue getanzt, dismaldiesmal
muststemußte ich Ihmihm, so ungern ichs auch that mitbeiwohnen, Denndenn meine
Schwestster war beim vorigvorigen mir zu gefallen, schon zu Hause ge
blieben. ichIch muß sagsagen, Daßdaß ich mich für der Versuchung fürchtete,
weil ich nioch nicht einmal, seitdem ich Dasdas Tanzen dran gab, auf
einem Ball war, ich nahm daher oft meine Zuflucht zum gebätGebet
wodurch ich Danndann auch so viel ststärkeStärke erhielt, daß ich den LokungLockungLokungLockungen
und ReitzungReitzungen glüklichglücklich wiederststandwiderststand und das Tanzen mit GelasenheitGelassenheit
und gleichgültigkeitGleichgültigkeit zusehzusehen kontekonnte; Daßdaß es aber kein angenehmangenehmer
Abend für mich war, Dasdas kanststkannstst duDu Dir meine beststeBestste! wohl
Vorststellenvorststellen, Diedie Verwunderung darüber daß ich als ein Jungesjunges
Madchen nicht tanzte war von allen ^seitSeitseitSeiten sehr groß und es
ging nicht ohne LeidLeiden Dabeidabei wie auch vorher und nachher für
mich ab, Daßdaß ich dadurch zurükgeseztzurückgesetzt wurde, und verschiedene
über mich spotteten, merkte ich wohl, diese bemerkungBemerkung war
nun freilig für meinmeinen Stolz nicht die angenemststeangenehmstste, doch aber
für selbigselbigen sehr gut und heilsam;

Nach der UberwindungÜberwindung und erhaltnem Siege wards mir
außerordentlich wohl L.Liebe FdinFreundin! und ich freütefreute mich ſsehr
Daßdaß ich gewürdigt wordworden war, um meiner ÜberzeügungÜberzeugung
willen etwas zu LeidleidLeidleiden.

D.Deinem L.Lieben ManMann und S.Schwester Jacobi empfiehl ich mich aufs Herzlichstste.

Meine S.Schwester und Nichte Märken grüßgrüßen dich ebenfalsebenfalls.

Lebe recht wohl ewig geliebte FreündinFreundin, und behalte Lieblieb
 Deine treüetreue aufrichtige
 L. N.

Die Heiligung bezeichnet in der protestantischen Kirche die Sinnesänderung und Lebensgestaltung eines Christen nach den Regeln Christi, innerlich durch das Wirken des Heiligen Geistes und äußerlich durch fromme Taten. Sie gilt als ein allmählich zur Vollendung fortschreitendes Werk.
(Vgl. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Vierte, umgearbeitete und stark vermehrte Auflage, Band 8. Altenburg 1859, S. 175–176.)


Maria Elisabeth Märker, geb. Noot (1753–1831).


Tanz wurde im 19. Jh stark mit Erotik assoziiert und galt in streng pietistischen Kreisen somit als Gefahr und Versuchung zur Sünde.

Liebststste beststste Fin.Freundin,

Ich Dankedanke dirDir herzlich dafür, Daßdaß Du mir ſschon ſso bald Nachricht von dirDir
und Denden Lieben deinigdeinigenDeinig Deinigen gabstst, so kurz dein Brief auch war, so machte er
mir doch viele FreüdeFreude.

Zu dem angetrettenenangetretenen N.Neuen Jahr wünſsche ich dir meine Liebe! viel
GlükGlück und Denden beststen Seg.Segen Gottes nach dem äußäußern und inerninnern Menſschen,
vorzüglich wünſsche ich: Daß disdies Jahr reich für dich ſsein mag an
H.Heils Gütern, du eine Gabe nach der and.anderen aus der Gnadenfülle J.Jeſsu
Christsti empfangempfangen mögestst, und gute ststarke Fortſschritte in der Heiligung
Thunthun werdestst. umUm deine fernere Liebe 1 | 2 bitte ich dich in 1 dem N.Neuen Jahr
ſsehr, und gebe dir dagegdagegen Verſsichrung von meiner unaufhörlichunaufhörlichen Liebe
und FreündſschaftFreundſschaft;
für mich L.Liebe FreündinFreundin, war das verfloſsſsne
Jahr ein recht Merkwürdigesmerkwürdiges Jahr, welches mir gewiß Zeitlebens
unvergeßlich bleiben wird. vieleViele Bitterkeit führte es für mich mit ſsich
aber auch wieder Vieleviele FreüdenFreuden, und auch mehr ſstofStoff gab es mir
Zumzum Dank und Lobe Gottes, der mir mit ſso auſserordentlichaußerordentlich Vielviel
WeißheitWeisheit und Liebe aus der groſsengroßen, mir ſschon würklichwirklich umſschwebendumſschwebenden
Gefahr errettete, in IrthumIrrthum zu gerathen, über die WichtigststwichtigststWichtigststwichtigststen
WahrheitWahrheiten des Christstenthums, wodurch der Schaden für mich ſso groß
und unausbleiblich geweſsen wäre; Diedie Erfahrung ſso ich Vonvon der
mächtigmächtigen hülfHülf Gottes und von der GebätsErhorungGebetserhörung gemacht habe,
hat mir unbeſschreiblich wohl gethan, und meine HofnungHoffnung & VertrauVertrauen
für die Zukunft ſsehr geststärkt, ſso Daßdaß ich jeztjetzt mit getroststem
Muth mein ganzes SchikſsalSchickſsal in den HändHänden meines Liebevollen H.Himmlischen
Vaters übergeben kankann, in der feststen Zuverſsicht, daß er mich ſso
führen wird wie es für meine Ewige Seligkeit und HerlichkeitHerrlichkeit
Dasdas bestste, Dasdas vortheilhafteststeVortheilhaftestste istst, welches auch jeztjetzt bestständig
der hauptInhaltHauptinhalt meines GebätsGebets iststausmacht; muß hiezu der wegWeg
des Leidens gewählt werden, nun, ſso geſschehe ſsein Heiliger Wille!
Er der Liebreiche Geber aller guten Gabe wird mir auch Denndenn
auf mein GebätGebet Diedie erforderliche Kräfte und Stärke geben,
alles Dasdas zu tragtragen was ich zu meinmeinem beststenBeststen tragtragen muß.

Silvester wurde hier in HagHagen durch eineinen großgroßen Ball gefeÿyert.
Liebstste FreündinFreundin! und vom altalten Jahr ins NeüeNeue getanzt, dismaldiesmal
muststemußte ich Ihmihm, so ungern ichs auch that mitbeiwohnen, Denndenn meine
Schwestster war beim vorigvorigen mir zu gefallen, schon zu Hause ge
blieben. ichIch muß sagsagen, Daßdaß ich mich für der Versuchung fürchtete,
weil ich nioch nicht einmal, seitdem ich Dasdas Tanzen dran gab, auf
einem Ball war, ich nahm daher oft meine Zuflucht zum gebätGebet
wodurch ich Danndann auch so viel ststärkeStärke erhielt, daß ich den LokungLockungLokungLockungen
und ReitzungReitzungen glüklichglücklich wiederststandwiderststand und das Tanzen mit GelasenheitGelassenheit
und gleichgültigkeitGleichgültigkeit zusehzusehen kontekonnte; Daßdaß es aber kein angenehmangenehmer
Abend für mich war, Dasdas kanststkannstst duDu Dir meine beststeBestste! wohl
Vorststellenvorststellen, Diedie Verwunderung darüber daß ich als ein Jungesjunges
Madchen nicht tanzte war von allen ^seitSeitseitSeiten sehr groß und es
ging nicht ohne LeidLeiden Dabeidabei wie auch vorher und nachher für
mich ab, Daßdaß ich dadurch zurükgeseztzurückgesetzt wurde, und verschiedene
über mich spotteten, merkte ich wohl, diese bemerkungBemerkung war
nun freilig für meinmeinen Stolz nicht die angenemststeangenehmstste, doch aber
für selbigselbigen sehr gut und heilsam;

Nach der UberwindungÜberwindung und erhaltnem Siege wards mir
außerordentlich wohl L.Liebe FdinFreundin! und ich freütefreute mich ſsehr
Daßdaß ich gewürdigt wordworden war, um meiner ÜberzeügungÜberzeugung
willen etwas zu LeidleidLeidleiden.

D.Deinem L.Lieben ManMann und S.Schwester Jacobi empfiehl ich mich aufs Herzlichstste.

Meine S.Schwester und Nichte Märken grüßgrüßen dich ebenfalsebenfalls.

Lebe recht wohl ewig geliebte FreündinFreundin, und behalte Lieblieb
 Deine treüetreue aufrichtige
 L. N.

Die Heiligung bezeichnet in der protestantischen Kirche die Sinnesänderung und Lebensgestaltung eines Christen nach den Regeln Christi, innerlich durch das Wirken des Heiligen Geistes und äußerlich durch fromme Taten. Sie gilt als ein allmählich zur Vollendung fortschreitendes Werk.
(Vgl. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Vierte, umgearbeitete und stark vermehrte Auflage, Band 8. Altenburg 1859, S. 175–176.)


Maria Elisabeth Märker, geb. Noot (1753–1831).


Tanz wurde im 19. Jh stark mit Erotik assoziiert und galt in streng pietistischen Kreisen somit als Gefahr und Versuchung zur Sünde.


HagenAnsicht der Stadt. Unbek. Künstler. Kolorierte Federzeichnung, um 1800. © Stadtmuseum Hagen